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Märchen des Monats

Das Glück lag am Weg

Es war einmal ein Mann, der war mit seinem Schicksal nicht zufrieden.“ Es ist ungerecht verteilt auf der Welt!“ sagte er. „Gott hat es nicht gut eingerichtet. Die einen sind reich und gesund und brauchen nicht zu arbeiten, die anderen sind arm und müssen Tag für Tag so viel schuften, dass sie auch noch krank werden. Und ich, ich habe auch zu wenig!“
Von Tag zu Tag wurde der Mann unzufrieden, und schliesslich beschloss er, zu Gott zu gehen und sich bei ihm zu beschweren. Er machte den Weg ausfindig, und am nächsten Morgen brach er auf.
Der Weg führte ihn zuerst durch einen grossen, dichten Wald. In einem Tal inmitten des Waldes begegnete ihm ein Wolf. “Wohin gehst du?“, fragte der Wolf. „Ich gehe zu Gott um mich zu beschweren!“ erwiderte der Mann. „Denn er hat es ungerecht eingerichtet auf der Welt. Die einen haben alles, die anderen nichts, und ich habe auch zu wenig!“
„Ich auch“, meinte der Wolf. „Weißt du, ich lebe nun schon viele Jahre hier in diesem Wald , aber ich habe noch kein einziges Lebewesen zu fressen bekommen, immer nur Wurzeln, Beeren, Pilze oder Kräuter. Vielleicht kann Gott dir sagen, was geschehen muss, damit ich endlich ein Lebewesen zu fressen bekomme?“ „Ich will deine Frage mitnehmen“, versprach der Mann, und dann setzte er den Weg fort.
Er verliess den Wald und kam an einen See. Am Ende des Sees stand eine Hütte und davor sass eine junge Frau. Sie hatte ein sehr schönes, aber ernstes Gesicht. Als sie den Mann erblickte, fragte sie ihn: "Wohin gehst du?“ "Ich gehe zu Gott, um mich zu beschweren!“, antwortete der Mann. „Denn es ist ungerecht verteilt auf der Welt: Die einen haben alles, die anderen nichts und ich habe auch zu wenig!“
„Dann könntest du auch von mir eine Frage mitnehmen“, bat sie. „Weißt du, ich lebe hier in diesem Häuschen und es geht mir eigentlich gut, aber seit ich mich erinnern kann habe ich noch niemals gelacht. Vielleicht kann Gott dir verraten, was geschehen muss, damit ich lachen lerne“. „Ich will deine Frage mitnehmen“, versprach der Mann und setzte seinen Weg fort.
Er stieg nun hinauf ins Gebirge und erreichte schliesslich einen breiten, reissenden Bergbach. Er musste eine Weile suchen, bis er eine Stelle fand, wo er den Bach überqueren konnte. Am anderen Ufer stand ein Baum, und der Mann streckte sich aus, um ein wenig im Schatten des Baumes zu rasten. Da hörte er, wie der Wind in den Blättern des Baumes rauschte und im Rauschen des Windes war es ihm, als spräche der Baum zu ihm. „Du gehst zu Gott“, hörte er. „Ja, da hast du ganz recht“, antwortete er. „Ich gehe zu Gott um mich zu beschweren, denn er hat es ungerecht eingerichtet auf der Welt. Die einen haben alles, die anderen nichts und ich habe auch zu wenig!“
„Dann könntest du auch von mir eine Frage mitnehmen“, rauschte der Baum. „Weißt du, ich stehe hier ganz nah am Wasser und ich strecke meine Wurzeln aus, so gut ich es vermag, aber trotzdem bin ich am Verdursten. Vielleicht kann Gott dir verraten, was geschehen muss, damit ich endlich genug Wasser bekomme.“ „Ich will deine Frage mitnehmen", versprach der Mann und setzte seinen Weg fort.
Er stieg immer höher hinauf, überquerte einen hohen Pass und kam in ein hoch gelegenes, felsiges Tal. Dort war der Ort, wo er Gott begegnen konnte. Und der Mann war nicht schüchtern, er brachte all seine Anliegen vor. „Du hast es ungerecht eingerichtet auf der Welt!“, schimpfte er. „Die einen haben alles, die anderen nichts und ich habe auch zu wenig!“ Und Gott hörte ihm geduldig zu. Schliesslich vernahm der Mann eine Antwort.
„Vielleicht hast du recht“, sagte er. „Geh nur heim, da wird dir dein Glück begegnen. Aber sieh zu, dass du es dann auch erkennst.“
„Daran wird es gewiss nicht fehlen!“, erwiderte der Mann. Dann stellte er noch die Fragen der drei anderen und bekam auch darauf eine Antwort. Und dann machte er sich rasch auf den Heimweg.
Als er den Bergbach erreichte, rauschte ihm der Baum schon entgegen: "Nun, was hat Gott gesprochen? Wann werde ich endlich genügend Wasser bekommen?“ Der Mann antwortete: "Gott hat gesagt, dass unter deinen Wurzeln ein grosser Klumpen Gold liegt. Den müsste jemand hinauf holen, dann könntest du deine Wurzeln bis zum Wasser strecken“. „Oh“, rauschte der Baum, „würdest du das für mich tun? Du könntest das Gold dann auch behalten“. „Weißt du“, erwiderte der Mann, „ich möchte ja nicht ungefällig sein, aber Gott hat mir gesagt, 'Geh heim, da wird dir dein Glück begegnen'. Ich muss mich also beeilen, es nicht zu verpassen, dass wirst du sicher verstehen. Du weißt ja jetzt, was dir fehlt. Vielleicht komme ich mal zurück, oder ein anderer kommt vorbei und kann dir helfen. Viel Glück!" Und der Mann überquerte den Bergbach, so schnell er konnte, und lief dann hinunter ins Tal.
Er erreichte die Hütte am See. Die junge Frau erwartete ihn schon. „Nun“, fragte sie, „was hat Gott gesprochen? Wann werde ich lachen lernen?" Der Mann antwortete: "Gott hat gesagt, dass du lachen wirst, wenn du einen Mann findest, der dir gefällt und dem du gefällst und mit dem du leben willst.“ „Oh“, meinte die junge Frau. Sie schaute ihn an, und ein ganz feines Lächeln umspielte ihren Mund. "Weißt du, du gefällst mir gut, und du hast mir diese Nachricht gebracht. Bleib doch bei mir und wir werden es gut haben miteinander!“ "Weisst du“, erwiderte der Mann und kratzte sich verlegen, „es ist nicht so, dass du mir nicht gefällst. Aber Gott hat mir gesagt: ‚Geh Heim und da wird dir dein Glück begegnen` Du wirst verstehen, dass ich jetzt nicht bei dir bleiben kann. Vielleicht komme ich in einer Woche wieder oder in zwei, oder du findest einen anderen. Du weißt ja jetzt, was du brauchst. Viel Glück!“ Und der Mann lief weiter, so schnell er konnte.
Er kam in den grossen, dichten Wald, und dort erwartete ihn bereits der Wolf. „Nun“, fragte er, „was hat Gott gesprochen? Wann werde ich endlich ein Lebewesen zu fressen bekommen?“ Der Mann antwortete: "Gott hat gesagt, du musst ein Lebewesen finden, das dumm genug ist, sich von dir fressen zu lassen.“ „Oh“, rief der Wolf. „Einen dümmeren als dich finde ich bestimmt nie wieder!“ Und er frass ihn auf mit Haut und Haaren.
Märchen aus der Türkei.

Lotosblume
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